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1991: Fremdenangst im Osten als Hort linker/rechter Populisten

… angesichts der vielen Kommentare, die ich so über Chemnitz lese, poste ich hier noch einmal einen Artikel von mir aus „vorgänge“ von 1991.

Damals hatte ich mich (erst in Leipzig, dann als Student an der Berner Universität) mit der Frage beschäftigt, wie ein ziviler Alltag im Osten möglich sein könnte. Der rechte Terror war ja bereits sichtbar. Die Entwertung der osteuropäischen Dissidenten in vollem Gange.  Dass die einfache Ausdehnung der Bundesrepublik in Richtung Osten dort nur sehr langsam eine Alltagsdemokratie bringen würde oder gar zur Ablösung des allgegenwärtigen Fremdenhasses beitragen könnte, war (für mich) deutlich sichtbar.
Ich habe jetzt den alten Artikel von 1991 herausgewühlt: Vorgänge : Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik, Jg. 30, H. 3 = 111, 1991, S. 58-68, ISSN: 0507-41:
hier der Artikel als pdf:
http://www.ssoar.info/ssoar/handle/document/46190

Schon noch lesbar, der Politologenjargon war wohl damals nicht zu verhindern.

Doch damit nicht genug. Im Sommer 1991 moderierte ich eine (der ersten?) Podiumsdiskussionen im Leipziger Rathaus zur Frage, wie jetzt mit dieser deutlich sichtbaren Ausländerfeindlichkeit umzugehen sei. Veranstaltet vom ersten Leipziger Ausländerbeauftragten und als Experten hatte ich gewonnen: Claus Leggewie (damals wohl noch kleiner Forscher in Bielefeld?). Doch das ist nicht das Ende der Geschichte. Beim Versuch, für die als Veranstaltungsreihe geplanten Gespräche (es wurde keine Reihe) die Friedrich-Ebert-Stiftung zu gewinnnen, erntete ich nur (freundlich ausgedrückt) Achselzucken. Die FES hatte damals gerade ein schickes Büro in Innenstadtlage am Dittrichring bezogen. Ich forsche nicht danach, wer damals der Büroleiter war, der diese schwere „Aufbau“-arbeit im Osten übernommen hatte. Der seine Überraschung nur schwer verbergen konnte, wohl dachte, will dieses Ossiwürmchen uns hier aufdrängen, welche Themen wir hier betreiben sollen. Letzter Satz ist natürlich reine Spekulation 😉

Und so gingen die Jahre dahin … Und jetzt sind wir wieder bei den hilflosen Chemnitz – Erklärungen angekommen, alle hätten dort eben ihre Kindheit in kollektivistischen Kindergärten verbracht, die fehlende christliche Erweckung im Osten würde eben ihre Folgen zeitigen (etc.),  und dem folgenden „Schock“ über die gut vernetzten Rechtsradikalen in Sachsen.  Dabei hätte man das alles wissen können: 1991, 1992, 2001, 2010, 2018…

Hätte man es nicht doch wissen können…?

Gedanken zum 6. Mai 2013 ———

Normalerweise belaste ich die Besucher dieses/meines Blogs nicht mit meinen politischen Vorstellungen, erst echt nicht,. wenn es um Wende, Revolution, Irrtümer, Perestroika etc. geht. Da gibt es ja wohl so viele Meinungen wie Akteure damals: also Millionen.

BundesarchivDoch der heute beginnende „NSU-Prozess“ (blödes Wort, warum muß man  die anmaßende Wortschöpfung der Terroristen übernehmen) brachte mich auf ein paar Minuten in die alte Zeit zurück, ins Leipzig der Wendejahre. Auch angeregt durch das Buch (bin noch beim Prolog) der Kollegin der Berliner Zeitung, Sabine Rennefanz: Eisenkinder – Die stille Wut der Wendegeneration (Luchterhand, 2012/13):  Anfang April die Autorin im Kulturgespräch bei SWR2
Sie beklagt m. E. zurecht, dass sich Süddeutsche Zeitung und Co. bei der Erklärung der NSU schnell in schnelle Bewertungen der DDR-Diktatur flüchten, ohne auch nur den Versuch einer Kritik der Psychologie der Wendejahre zu versuchen. Von einer Kritik der autoritären Strukturen im Westen ganz zu schweigen (natürlich).
Da hatte ich mich damals (erst in Leipzig, dann als Student an der Berner Universität) mit der Frage beschäftigt, wie ein ziviler Alltag im Osten möglich sein könnte. Der rechte Terror war ja bereits sichtbar. Die Entwertung der osteuropäischen Dissidenten in vollem Gange.  Ich habe jetzt den alten
Artikel
von 1991 herausgewühlt: Vorgänge : Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik, Jg. 30, H. 3 = 111, 1991, S. 58-68, ISSN: 0507-4150.

*Ergänzung 2017: der Artikel als pdf
http://www.ssoar.info/ssoar/handle/document/46190

Schon noch lesbar, der Politologenjargon war wohl damals nicht zu verhindern. Doch damit nicht genug. Im Sommer 1991 moderierte ich eine (der ersten?) Podiumsdiskussionen im Leipziger Rathaus zur Frage, wie jetzt mit dieser deutlich sichtbaren Ausländerfeindlichkeit umzugehen sei. Veranstaltet vom ersten Leipziger Ausländerbeauftragten und als Experten hatte ich gewonnen: Claus Leggewie (damals wohl noch kleiner Forscher in Bielefeld?). Doch das ist nicht das Ende der Geschichte. Beim Versuch, für die als Veranstaltungsreihe geplanten Gespräche (es wurde keine Reihe) die Friedrich-Ebert-Stiftung zu gewinnnen, erntete ich nur (freundlich ausgedrückt) Achselzucken. Die FES hatte damals gerade ein schickes Büro in Innenstadtlage am Dittrichring bezogen. Ich forsche nicht danach, wer damals der Büroleiter war, der diese schwere „Aufbau“-arbeit im Osten übernommen hatte. Der seine Überraschung nur schwer verbergen konnte, wohl dachte, will dieses Ossiwürmchen uns hier aufdrängen, welche Themen wir hier betreiben sollen. Letzter Satz ist natürlich reine Spekulation 😉
Und so gingen die Jahre dahin…Und jetzt sind wir wieder bei den dünnen Erklärungen, die Terroristin wäre ein Omakind gewesen, alle hätte ihre Kindheit in Kindergärten verbracht usw.
Ich kann nur den Text von Sabine Rennefanz empfehlen, wer sich intellektuell nicht wieder aufs Jahr 1991 zurücksetzen lassen will. Wir werden aber wohl beim NSU-Prozess Berichte und Kommentare von Journalisten – Kollegen erhalten, die diese „Wende“ – Zeit nicht erlebt haben.
Jetzt ist es aber genug. Ab sofort hier nur noch normale Fernseh – und Radiohinweise aus der täglichen Arbeit.